Die erste Busfahrt

Als ich vor die Tür trat blendete die Sonne ungemein. Es war ziemlich warm und ich war durchaus froh darüber doch keine lange Jeans angezogen zu haben. Wir gingen auf den Gehweg, an der Straße entlang, von Schatten zu Schatten huschend. Wir kamen an der Hauptstraße an, dessen Fahrspuren durch einen breiten begehbaren Mittelstreifen getrennt war. Meine Gastmutter nahm meinen Arm und führte mich zügig über die Straße. Wir fanden an einer Ecke ein schattiges Plätzchen, wo wir warteten. Viele Autos, Motoräder, Fahrräder und Busse fuhren an uns vorbei. Schließlich kam ein Kleinbus, in den wir einstiegen. Wir mussten, nicht wie in Deutschland beim Busfahrer bezahlen, sondern gingen einfach rein. 
Dieser Bus war unglaublich überfüllt und meine Gastmutter und ich fanden einen einigermaßen bequemen Stehplatz, wo man sich auch festhalten konnte. Die Tür des etwas zerlotterten Busses blieb die ganze Fahrt über auf, damit ein Mann, der darin stand, sehen konnte, ob jemand weiteres mitfahren wollte. So schnell der Bus rumpelnd anfuhr hielt er auch schon wieder um neue Fahrgäste einzuladen. Wir quetschten uns noch weiter zusammen, und man kann mir glauben, es war für meine Verhältnisse schon fast eine Meisterleistung gleichzeitig irgendwie meinen Rucksack an meinem Arm und mein Handy in meiner vorderen Hosentasche im Auge zu behalten. Trotz der offenen Tür, dem offenen Notausgang am Dach und den teilweise geöffneten Fenstern neben den Sitzen war es fast unerträglich heiß  und stickig. 
Zwischendurch wollte jemand aussteigen und zwängte sich durch die Menge. Und wie schon bereits gesagt: es war ein Kleinbus. Irgendwann stiegen zwei Frauen aus, die neben mir einen Sitzplatz ergattert hatten und so konnten wir uns hinsetzen; ich am Fenster. Ich schob es so weit wie möglich auf und sofort stieß mir die heiße und nach Abgasen stinkende Luft von der Autobahn entgegen. Der Wind tat trotzdem sehr gut auf meiner mittlerweile etwas schweißbedeckten Haut. Der Mann aus der Bustür schlängelte sich durch den Bus um den Fahrpreis einzusammeln: für meine Mum und mich zusammen 5.800 Pesos Colombianos, etwas unter zwei Euro. Ich schaute zu, wie die Häuser, Autos und Palmen vorbeirauschten bis wir schließlich in Cali ankamen. 
Wir stiegen aus in die Wärme und gingen zu Fuß weiter. Vorbei an Straßenhändlern, Obdachlosen Männern und Frauen, modernen und alten Häusern... beim Überqueren der Straße, egal wie klein sie ist, mussten wir aufpassen, denn die Autos und Motorräder rasen um die Ecke ohne zu bremsen, bevor man überhaupt reagieren kann. Die Kabel der Stromleitungen hingen über den Straßen und familienlose Katzen und Hunde liefen über die Wege, auf der Suche nach Futter.

Wir bogen ab in eine kleine Nebenstraße, wo wir einen Teil von der Arbeit meiner Gastmutter abgeben mussten. Dann gingen wir weiter, durch das Zentrum, zum nächsten Part ihrer Arbeit. Während sie das nötige Material holte, wartete ich in einer Garage, umgebaut zu einer Werkstatt für Schuhe etc., bei zwei Freunden von meiner ihr. Die beiden waren sehr nett und freundlich und wir haben uns ganz nett unterhalten - soweit es mit dem Spanisch reichte. Ich konnte helfen Sohlen zu beschriften und zusammen zu binden. Zwischendurch kam ein Straßenhändler herein, der eine handvoll Bonbons verkaufen wollte. Einer der beiden Freunde kramte etwas Kleingeld zusammen, während der Händler anfing zu singen und zu tanzen, und nahm sich ein Bonbon.
Schließlich fuhr uns er zu einer Tankstelle, wo wir auf meinen Gastvater warteten, um uns abzuholen. Es war mittlerweile dunkel geworden, aber nur wenig kühler. Das, was ich an diesem Tag von Cali gesehen habe, war nicht besonders schön gewesen, aber dennoch fühlte ich mich nicht sonderlich unwohl. Ich glaube, das ist etwas, in das ich mich immer mehr verliebe hier. Auf dem Rückweg beobachtete ich die Stadtlichter und alles was drumherum passierte. Ich entdeckte die Statue von Jesus (ja, wie die in Rio de Janeiro), bunt angestrahlt und trohnend über der Hauptstadt des Valle, der Region, in der ich in diesem Jahr wohne. An diesem Abend sah ich eine Sternschnuppe an dem wunderschönen Nachthimmel über Kolumbien. Ich musste an meine Freunde in Deutschland denken, die in drei Stunden ihren ersten Schultag in der 11. Klasse haben würden.


Das war meine erste Busfahrt in Kolumbien. Durchaus spannend und völlig anders als gewohnt. Es gibt viele Dinge, die mich hier immer wieder etwas erschrecken, und andere, die mich immer wieder total faszinieren. Ich habe bis jetzt wirklich noch nicht viel von diesem Land gesehen, aber soweit ich es beurteilen kann: es ist wunderschön. Mit allen seinen Ecken und Kanten.


An alle, die mir ständig ihre Vorurteile aufbinden wollten: wenn ihr ein Land niemals in echt gesehen und erlebt habt und stur das glaubt, was die Medien euch erzählen wollen, dann habt ihr in keinster Weise das Recht ein schlechtes Wort darüber zu verlieren. Sicher, auch ich hatte gewisse Bedenken, aber jetzt, da ich hier bin, gehe ich so offen damit um wie es geht und versuche mir jeden Tag bewusst zu machen, dass ich eben nicht mehr in Deutschland bin. Das soll natürlich nicht heißen, Deutschland ist vollkommen perfekt und viel besser als andere Länder! Nein, jeder Deutsche weiß, dass auch wir mit gewissen Problemen zu kämpfen haben. Aber diese Probleme dort stellten meinen Alltag dar. Hier, in meinem neuen Leben gibt es andere Probleme, auf die ich nicht unbedingt vorbereitet war, aber die mir die Schwächen und die Stärken dieses Landes zeigen.



Ich hoffe, dass ich mit Rotary viel auf den Reisen sehen und erleben kann und ich kann gar nicht oft genug sagen, wie dankbar ich bin, dass uns Jugendlichen so eine verdammt gute Chance geboten wird, und dass ich daran teilhaben darf!




Hasta luego!


Ronja






Kommentare

  1. Wow, das ist ja eine ganze Flut an Sinneseindrücken. Und so wie du es beschrieben hast ist merkt man wirklich wie sehr dich alles in seinen Bann zieht und dich mitreißt. Trotzdem finde ich es ziemlich beindruckend wie objektiv du mitunter urteilst und man kommt garnicht drumherum dir recht zu geben.
    Der erste bzw nun schon die ersten Schultage wurden gut überstanden. Schon in der Q1. Das ist schwer zu glauben. Ab jetzt zählt einfach jede Leistung und das setzt einen schon unter Druck.
    Heute morgen habe ich angefangen zu backen und dabei denke ich doch jedes mal wieder an dich, in letzter Zeit mehr denn je zuvor.

    Liebe Grüße aus der Vorderbrengre,
    Von mir und meiner Familie!

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